Schon vor längerer Zeit ist mir aufgefallen, dass die Regenrinne am Dach vom Nachbarhaus, das sich sehr dicht an unserem Balkon befindet, verstopft ist, so dass das Wasser nicht in den darunter befindlichen Wasserbehälter laufen kann. Schon mehrmals dachte ich mir, dass es vielleicht gut wäre, wenn ich zum Nachbarn gehen und ihn darüber informieren würde, damit er den Ablauf säubern könnte und er so wieder zu einem vollen Wasserbehälter käme. Gleichzeitig würde dann auch das manchmal zu hörende Herabtropfen des überlaufenden Wassers enden. Doch dann habe ich es vergessen oder ich habe mich gefragt, ob es richtig ist, einem anderen Menschen zu sagen, wie der Zustand seiner Regenrinne ist. Könnte er das nicht auch falsch verstehen und meinen, dass ich ihm unterstellen will, dass er sich nicht um die Sauberkeit und Ordnung seiner Regenrinne kümmert? Oder dass er meinen könnte, dass ich besser weiß, was er zu tun hätte?
Ich hatte gar nicht mehr über diese Sache nachgedacht, als ich heute auf den Balkon trat und fröhliches Gezwitscher hörte. Ich schaute mich um und sah verschiedene Vögel und dann sah ich hinüber zur Regenrinne, und was sah ich dort? Eine Blaumeise badete sich in der übervollen Regenrinne. Sie bewegte sich im Wasser, flatterte mit den Flügeln, sprang wieder hinaus aufs Dach und kurz darauf wieder hinein ins Wasser. Und während sie so badete, zwitscherte und piepste sie voller Freude vor sich hin. Als ich einmal kurz in die andere Richtung schaute und dann erneut zur Regenrinne sah, waren es auf einmal zwei Blaumeisen, die voller Begeisterung in der Regenrinne im Wasser ihre Freude hatten.
Was war das für ein schönes Erlebnis, dieser Freude zusehen und zuhören zu können. Und es zeigte mir wieder einmal, dass nicht alles, was einem auf den ersten Blick als ein Problem erscheint, tatsächlich eines ist. Es ist alles eine Sache der Betrachtung und des Blickwinkels. Es lohnt sich, den Blickwinkel eines Anderen einzunehmen, auch den eines Vogels.